Denn wer das Managen von Qualität demokratisieren will, hat Bedarf an einer eQMS-Lösung, die leicht zu bedienen und rasch zu verändern ist. Doch Hand aufs Herz, finden Industrieanwender bereits solche Systeme? Nun, aufseiten der Usability hat sich tatsächlich schon eine Menge getan: Moderne CAQ-Oberflächen legen inzwischen eine Nutzerfreundlichkeit und ein Design an den Tag, die betrieblicher Standardsoftware bis vor kurzem kaum jemand zugetraut hätte.
Doch lässt sich Ähnliches auch über die Flexibilität der Systeme sagen? Nun, hier ist die Entwicklung vielleicht noch nicht ganz so weit. Aber sie nimmt Fahrt auf. Und das mit Macht. Schließlich geht es um nichts Geringeres als um die Befreiung der Anwender aus den Restriktionen der professionellen Software-Entwicklung. Denn anstatt immer länger darauf warten zu müssen, dass man mit seinen Änderungswünschen an der Reihe ist, führen mehr und mehr User ihre Anforderungen jetzt einfach selbst aus.
Klassisches Programmierwissen braucht dazu niemand mehr. Der Trick ist der, dass man sich mit dem eigentlichen Software-Code auch gar nicht mehr auseinandersetzt. Stattdessen arbeitet man mit einem Drag & Drop-Editor, in dem sich die Benutzeroberflächen des CAQ in exakt der Weise gestalten lassen, wie es den Arbeitsabläufen und Informationswünschen der Anwender am besten entspricht. Sicher, solche Design-Entscheidungen schlagen sich natürlich auch irgendwann auf den Code durch. Doch wie genau das passiert, braucht mich als DIY-Entwickler nicht weiter zu interessieren. Die nötige Übersetzungsarbeit übernimmt schließlich der Editor.
Da ich mich fortan nur noch mit dem Design und der Ablauflogik meiner Anwendungen beschäftige und die daraus resultierenden Code-Änderungen dem Editor überlasse, nennt man diese Art des Engineerings übrigens auch Low-Code/No -Code-Entwicklung. Den Hauptnutzen dieses Ansatzes fasst man dann gern auch unter dem Begriff „Citizen Development“ zusammen. Damit wird betont, dass der Zugang zur Systementwicklung nun zu weiten Teilen demokratisiert wird, sodass Business-Anwender viel agiler werden, um neue Anforderungen an ihre IT-Lösungen rasch und passgenau einfach selbst umzusetzen.
The Making of Citizen Development
Doch wie genau stellt man sich dieses Entwickeln in der Praxis dann vor? Hierzu ist es sinnvoll, wenn wir uns zunächst einmal klar machen, dass im Hintergrund der CAQ-Lösung ein leistungsstarkes Datenbanksystem läuft, das alle relevanten QM-Informationen strukturiert abbildet. Die Informationen reichen von den Kunden-, Lieferanten-, Produkt- und Prozessdaten über den Inhalt der verschiedenen QM-Regularien bis zu den Messwerten und Kennzahlen, aus denen das CAQ die Historie, den Status und den Fortgang des Qualitätsmanagements ableitet.
So komplex eine solche Datenbank dann auch immer sein mag, der besondere Charme liegt nun darin, dass der Nutzer sich mit Hilfe des Low-Code/No-Code-Editors nicht mehr in die Tiefe der Programmierung einarbeiten muss. Denn alles, was in einem QM-Formular, einem Kennzahlen-Dashboard, einem Bericht oder einer Eingabemaske am Ende des Tages dann auch immer stehen mag, all das setzt sich aus eben diesen Feldern der QMS-Datenbank zusammen und wird nun mit rein grafischen Mitteln verfügbar gemacht.
Im QDA-Editor (siehe Bild oben) sieht es dann zum Beispiel so aus, dass auf der linken Bildschirmseite all diejenigen Datenbankfelder erscheinen, die für ein bestimmtes Entwicklungsthema die relevantesten sind. Nehmen wir ein Beispiel aus dem Reklamationsmanagement – einem Anwendungsfeld also, in dem es besonders hohen Bedarf an nutzerspezifischen Bedienoberflächen gibt. Schließlich betreffen viele Reklamationsvorgänge nahezu die gesamte Wertschöpfungskette und machen es somit nötig, unterschiedlichste Anwender in den Prozess mit einzubinden. So auch die Mitarbeitenden aus dem Wareneingang. Mit Blick auf die Lageristen ist es sinnvoll, eine Workflow-Maske zu designen, die auf denselben Handhelds läuft, die sie ohnehin schon nutzen, um die eintreffenden Lieferungen einzubuchen.
Die neue Maske sollte ausschließlich solche Datenfelder enthalten, die im Wareneingang relevant sind. Hierzu zählen zum Beispiel Artikelnummer, Lieferantennummer oder auch Kataloge zu Fehlerort und Fehlerart. Als Citizen Developer ziehe ich dann also genau diese Datenfelder per Drag & Drop in das Hauptfenster meines Editors. Dieses Hauptfenster entspricht der Benutzeroberfläche auf dem Handheld des Lageristen. Dort positioniere ich sie an exakt derjenigen Stelle, die der Arbeitsweise und dem Denken der Kollegen im Lager am besten entspricht (siehe Screenshot auf der linken Seite).
Und noch einmal: Um die Akzeptanz einer solchen Oberfläche zu maximieren, ist es entscheidend, dass ich die Zahl der Eingabefelder auf das absolut Notwendige beschränke. Daher ist es sinnvoll, wenn ich mich im Vorfeld der Entwicklung mit den zukünftigen Anwendern vor Ort austausche. Erst dann werde ich wirklich verstehen, wann in den Wertschöpfungsabläufen der Kollegen QM-relevante Informationen entstehen und wie sich diese Informationen mit geringstmöglichem Aufwand erfassen lassen.
Und: Falls man in den Vorgesprächen auf IT-affine Köpfe unter den künftigen Anwendern trifft, sollte man schauen, ob man zumindest einen dieser Kollegen für ein paar Stunden vom Tagesgeschäft loseisen kann, um den passenden Ablauf im Editor gemeinsam designen zu können. Das Ergebnis kann sofort gemeinsam getestet werden. Langwierige Bestellprozesse, Ausschreibungen, Erklärungen an interne/externe Lieferanten und Wartezeiten fallen weg. Das Budget wird geschont.
Weitere Anwendungsfälle
Im CAQ-Umfeld gibt es natürlich noch eine ganze Menge weiterer Möglichkeiten, um Low-Code/No-Code gewinnbringend einzusetzen. Bei der Gestaltung von QM-Formularen zum Beispiel. Interessant sind hier vor allem solche Formate, in die zusätzlich zu den Industrienormen auch Kundenspezifika eingehen. Gerade dann braucht es eine Extraportion Flexibilität auf der Entwicklungsseite. So etwa, wenn ein Neukunde kommt, der mir als Zulieferer zusätzliche Auskunftspflichten auferlegt. Etwa was das Ausweisen von SPC-Kennzahlen angeht. Als QMB muss ich hier wesentlich schneller lieferfähig sein, als dies noch vor wenigen Jahren der Fall war. Denn während man in der Vergangenheit oft noch mehrere Monate Zeit dafür hatte, den Aufbau einer neuen Lieferbeziehung QM-technisch auszulegen, so muss man heute in Wochen, wenn nicht gar in Tagen denken. Ein solches Maß an Agilität können Low-Code/No-Code-Werkzeuge hervorragend abdecken.
Gleiches gilt für die Ausweitung des kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP). Denn wenn ich es wirklich schaffen will, möglichst viele unterschiedliche Stakeholder im Unternehmen zur aktiven Mitarbeit zu bringen, muss ich ihnen Werkzeuge an die Hand geben, in denen sie ihre Arbeitsabläufe und ihr Wissen rasch wiedererkennen. Dashboards und Boardlets sind ein hervorragendes Mittel dafür. Vor allem dann, wenn die Nutzer ein Maximum an Freiheitsgraden erhalten, um genau diejenigen Kennzahlen und Informationen zu ermitteln, die ihnen die wertvollsten Aufschlüsse für die aktuelle und künftige Performance ihrer Arbeitsabläufe geben.
Auf diese Weise machen sich die Mitarbeitenden unabhängiger von den Business-Intelligence-Lösungen (BI) ihres Unternehmens. Diese werden zwar auch in Zukunft ihre Daseinsberechtigung haben. Doch braucht es stets das Wissen eines Power-Users und oft genug auch noch die Unterstützung der IT-Abteilung, um die passenden Kennzahlen und Reports aus der BI-Lösung herauszuholen. Auch hier sorgt der Low-Code/No-Code-Editor einer CAQ-Lösung für erhebliche Entlastung und bringen ein wesentlich höheres Maß an Agilität.
Entsprechende Werkzeuge sind übrigens auf der gesamten Edge.One-Plattform verfügbar. Somit haben alle Anwender aus der Wertschöpfung die Möglichkeit, ihre Produktions- und Logistik-Dashboards individuell auszugestalten.
Benefits für die IT inklusive
Hiervon profitiert im Übrigen auch die IT-Abteilung. Das Unternehmen erspart sich viele kleinere Anpassungsprojekte, die in Summe erhebliche Entwickler-Ressourcen binden würden. Zudem steigt der Nutzungsgrad der angebotenen Standardsoftware. Denn je selbstverständlicher es für den Endanwender wird, seine Software in weiten Teilen einfach selbst anzupassen, desto unattraktiver werden Workarounds und Inselapplikationen, die man sich in der Vergangenheit mit Office-Lösungen und dergleichen zugelegt hatte. Auch hiervon profitiert nicht zuletzt auch die IT. Schließlich sinkt die Zahl der Lösungen, für die sie eine sichere und performante Infrastruktur bereitstellen muss.
Low-Code/No-Code wird damit zum Königsweg, um den Endanwender unabhängiger und die IT resilienter zu machen. In der Folge kann das QM die Demokratisierung seiner Abläufe weiter vorantreiben. Gleichzeitig hält man den professionellen Softwareentwicklern den Rücken frei, um sich auf echte Innovationsprojekte zu konzentrieren. So zum Beispiel auf die Frage, wie Predictive Quality Analytics den Anwendern dabei helfen, wesentlich weiter in die Zukunft zu blicken. Woraus sich dann im Übrigen auch wieder ganz neue Anknüpfungspunkte für das Citizen Development ergeben. Schließlich zählt es dann zu den wichtigsten Aufgaben einer Low-Code/No-Code-Lösung, die Früchte der Innovationsprojekte schnell in die Praxis zu tragen und für möglichst viele Anwender in der Wertschöpfungskette nutzbar zu machen.